Die Tuberkulose, früher auch als „Schwindsucht“ oder „Weiße Pest“ gefürchtet, gehört zu den ältesten und tödlichsten Infektionskrankheiten der Menschheit. Viele Menschen in Deutschland und Westeuropa halten sie für eine Krankheit der Vergangenheit, besiegt durch moderne Medizin und bessere Lebensbedingungen. Doch dieser Eindruck täuscht. Weltweit ist die Tuberkulose (kurz TBC) nach wie vor eine der häufigsten zum Tode führenden Infektionskrankheiten. Auch in Deutschland gibt es jedes Jahr Tausende Neuerkrankungen. Das Wissen über ihre Symptome, Übertragungswege und die Notwendigkeit einer konsequenten Behandlung ist daher auch heute noch von entscheidender Bedeutung.
Das Wichtigste in Kürze
- Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium tuberculosis verursacht wird und am häufigsten die Lunge befällt (Lungentuberkulose).
- Die Übertragung erfolgt durch feinste Tröpfchen in der Luft, die von einer Person mit offener, ansteckender Lungentuberkulose ausgehustet werden.
- Man unterscheidet zwischen einer latenten Infektion (Bakterien im Körper, aber nicht krank und nicht ansteckend) und einer aktiven Erkrankung (krank und potenziell ansteckend).
- Tuberkulose ist mit einer mehrmonatigen Kombinationstherapie aus speziellen Antibiotika heilbar. Eine große globale Herausforderung stellen jedoch multiresistente Erreger dar.
Der Erreger und seine Übertragung
Verursacher der Tuberkulose ist ein stäbchenförmiges Bakterium namens Mycobacterium tuberculosis. Die Übertragung von Mensch zu Mensch geschieht fast ausschließlich über die Luft. Wenn ein Mensch mit einer ansteckungsfähigen (offenen) Lungentuberkulose hustet oder niest, werden winzige, erregerhaltige Tröpfchenkerne in die Luft geschleudert. Atmen andere Menschen diese Tröpfchen über einen längeren Zeitraum in geschlossenen Räumen ein, können sie sich infizieren.
Eine Ansteckung im Freien oder bei nur kurzem Kontakt ist äußerst selten. Wichtig ist auch: Nicht jeder Kontakt führt zu einer Infektion, und nicht jede Infektion führt zu einer Erkrankung.
Latente Infektion vs. aktive Erkrankung: Der entscheidende Unterschied
Nach einer Ansteckung gibt es zwei mögliche Verläufe, deren Unterscheidung fundamental ist:
1. Latente tuberkulöse Infektion (LTBI) In über 90 % der Fälle gelingt es einem gesunden Immunsystem, die Tuberkulosebakterien in Schach zu halten. Die Erreger werden im Körper, meist in der Lunge, von Abwehrzellen eingeschlossen und verkapselt. Die Person ist infiziert, aber nicht krank. Sie hat keine Symptome und ist nicht ansteckend. Die Infektion kann jedoch ein Leben lang im Körper schlummern.
2. Aktive Tuberkulose-Erkrankung Bei etwa 5-10 % der Infizierten gelingt es den Bakterien, sich aus der Verkapselung zu befreien und sich zu vermehren. Dies geschieht oft dann, wenn das Immunsystem geschwächt ist (z.B. durch andere Krankheiten wie HIV, Diabetes, eine immunsuppressive Therapie, hohes Alter oder Mangelernährung). Nun bricht die Krankheit aus, die Person entwickelt Symptome und kann, wenn die Lunge betroffen ist, ansteckend für andere sein.
Symptome: Woran erkennt man eine Tuberkulose?
Die aktive Tuberkulose entwickelt sich oft schleichend und mit unspezifischen Symptomen, was die Diagnose erschweren kann.
Die klassischen Symptome einer Lungentuberkulose sind:
- Hartnäckiger Husten, der länger als drei Wochen andauert.
- Auswurf, der im späteren Verlauf auch blutig sein kann (Hämoptyse).
- Schmerzen in der Brust.
Hinzu kommen oft allgemeine, systemische Krankheitszeichen:
- Leichtes, oft subfebriles Fieber.
- Starker Nachtschweiß.
- Ungewollter Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit (daher der historische Name „Schwindsucht“).
- Anhaltende Müdigkeit, Abgeschlagenheit und ein allgemeines Schwächegefühl.
Befällt die Tuberkulose andere Organe (extrapulmonale Tuberkulose), hängen die Symptome vom betroffenen Organ ab (z.B. Schwellung der Lymphknoten, Knochenschmerzen, Kopfschmerzen bei Befall der Hirnhäute).
Diagnose: Wie wird Tuberkulose festgestellt?
Bei Verdacht auf Tuberkulose werden verschiedene diagnostische Schritte eingeleitet:
- Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese): Der Arzt fragt nach Symptomen, Risikofaktoren und möglichem Kontakt zu erkrankten Personen.
- Tests auf eine Infektion: Mit dem Tuberkulin-Hauttest (Mantoux-Test) oder moderneren IGRA-Bluttests kann festgestellt werden, ob das Immunsystem jemals Kontakt mit Tuberkulosebakterien hatte. Diese Tests können aber nicht zwischen einer latenten Infektion und einer aktiven Erkrankung unterscheiden.
- Bildgebende Verfahren: Ein Röntgenbild der Lunge kann typische Veränderungen wie Entzündungsherde oder Kavernen (Einschmelzungen) zeigen, die auf eine aktive TBC hindeuten.
- Bakteriologischer Nachweis: Der entscheidende Beweis für eine aktive, ansteckungsfähige Tuberkulose ist der direkte Nachweis der Erreger. Dafür werden Proben, meist Auswurf (Sputum), mikroskopisch untersucht und im Labor angezüchtet (Kultur). Dieses Verfahren dauert mehrere Wochen, ist aber unerlässlich für die endgültige Diagnose und die Bestimmung von Medikamentenresistenzen.
Behandlung: Ein langwieriger, aber notwendiger Kampf
Die gute Nachricht ist: Tuberkulose ist heilbar. Die Behandlung ist jedoch langwierig und erfordert höchste Disziplin von den Patient:innen.
Die Standardtherapie besteht aus einer Kombination von vier speziellen Antibiotika, die über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten täglich eingenommen werden müssen. Diese Kombinationstherapie ist notwendig, um alle Bakterien sicher abzutöten und die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern. Eine unregelmäßige oder vorzeitig abgebrochene Einnahme ist der häufigste Grund für Therapieversagen und die Entstehung gefährlicher Resistenzen.
Die große Herausforderung: Multiresistente Tuberkulose (MDR-TB)
Eine wachsende globale Bedrohung ist die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB). Hier sind die Bakterien gegen die beiden wirksamsten Standard-Antibiotika (Isoniazid und Rifampicin) unempfindlich. Die Behandlung einer MDR-TB ist eine enorme Herausforderung:
- Sie dauert wesentlich länger (oft bis zu zwei Jahre).
- Es müssen Reserve-Antibiotika eingesetzt werden, die oft mehr Nebenwirkungen haben.
- Die Heilungschancen sind geringer und die Behandlung ist deutlich teurer.
Situation in Deutschland und Prävention
In Deutschland ist die Tuberkulose dank guter hygienischer Bedingungen und eines effektiven Gesundheitssystems eine relativ seltene Erkrankung geworden, aber sie ist nicht verschwunden. Jede aktive Tuberkulose ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Das Gesundheitsamt ermittelt dann Kontaktpersonen, um Infektionsketten zu unterbrechen.
Die früher übliche BCG-Impfung wird in Deutschland seit 1998 nicht mehr allgemein empfohlen, da ihr Schutz vor einer Lungentuberkulose bei Erwachsenen begrenzt ist und das Infektionsrisiko hierzulande als gering eingestuft wird. Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist daher das schnelle Auffinden und die konsequente Behandlung von Menschen mit ansteckungsfähiger Tuberkulose.
Fazit: Eine alte Krankheit mit moderner Relevanz
Die Tuberkulose ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass Infektionskrankheiten keine nationalen Grenzen kennen und nicht als „besiegt“ gelten dürfen. Während sie in Deutschland kontrollierbar ist, bleibt sie global eine massive Herausforderung, die durch die Zunahme von Resistenzen weiter verschärft wird. Das Wissen um ihre Symptome und die Bedeutung einer disziplinierten, langwierigen Therapie ist der Schlüssel, um diese alte Geißel der Menschheit auch in Zukunft in Schach zu halten und Betroffenen eine vollständige Heilung zu ermöglichen.